NIS2-Umsetzungsgesetz lässt auf sich warten: Zeit zum Handeln
Auch wenn die Bundesregierung es wohl nicht geschafft hat, die notwendigen Umsetzungen der NIS2-Richtlinie fristgerecht auf den Weg zu bringen, sollten Unternehmen und Behörden nicht nachlassen. NIS2 kommt, zwar nicht wie geplant noch im Oktober, sondern erst im Frühjahr 2025, doch die Kerninhalte bleiben gleich. Ganz unabhängig vom schlussendlichen Termin gehört professionelles Schwachstellenmanagement wie das von Greenbone zwingend dazu.
Eigentlich hatten alle von NIS2 betroffenen Unternehmen und Organisationen schon acht Jahre Zeit, um sich einzuarbeiten und angemessene Maßnahmen zu treffen. Wer seine Hausaufgaben gemacht hat, wird bemerkt haben: Zwar kommt da viel Arbeit auf Firmen zu, vor allem auf Betreiber kritischer Infrastrukturen, aber das meiste ist doch überaus klar und wohldefiniert. Aber dass die NIS2-Umsetzung und -Einführung dennoch nicht immer einfach ist, zeigt derzeit der Deutsche Bundestag exemplarisch.
Acht Jahre verstrichen, Startschuss verpasst
Theoretisch wäre Ende Oktober der Startschuss für das NIS2UmsuCG (NIS-2-Umsetzungs- und Cybersicherheitsstärkungsgesetz) gefallen, doch aus dem von der EU auch für Deutschland verordneten Termin vom 17.10.2024 wird nichts. Die Referentenentwürfe von 2023 und 2024 fanden keine Mehrheit, selbst das Innenministerium ist skeptisch und „rechnet nicht mit einer fristgerechten Einführung der NIS2-Richtlinie“. Das geht aus einer Antwort des Ministeriums auf eine Anfrage des BVMW (Bundesverband mittelständische Wirtschaft – Unternehmerverband Deutschlands) hervor. „Wann die NIS2-Richtlinie kommt, die für den 17. Oktober 2024 geplant war, ist offenbar völlig unklar. In der Antwort des Innenministeriums heißt es lediglich, dass bei einem zügigen parlamentarischen Verfahren ein Inkrafttreten des Gesetzes im ersten Quartal 2025 möglich sei.“
NIS2-Studie: Unternehmen akzeptieren die Vorschriften
Dabei ergibt NIS2 durchaus Sinn und trifft auf hohe Akzeptanz, vor allem in sicherheitsrelevanten Branchen und Firmen, auch wenn diese selbst zugeben müssen, noch nicht perfekt vorbereitet zu sein. 38 Prozent halten NIS2 für überfällig, 67 Prozent gehen davon aus, dass Cyberattacken weiter zunehmen werden, und 84 Prozent wissen: Das Budget wird steigen. 34 Prozent der Unternehmen werden zukünftig in Schwachstellenmanagement investieren. Diese Zahlen stammen aus einer aktuellen, umfangreichen Studie von techconsult im Auftrag von Plusnet, die auch den Sinn und Zweck von NIS2 zusammenfasst: „Unternehmen und Organisationen werden angewiesen, robuste Sicherheitsmaßnahmen zu implementieren, regelmäßige Risikoanalysen durchzuführen und angemessene Schutzmechanismen gegen Cyberangriffe einzurichten. Eine erhöhte Transparenz und Reaktionsfähigkeit sollen dazu beitragen, Bedrohungen schneller zu identifizieren und einzudämmen.“
Unternehmen und Organisationen werden so verpflichtet, Sicherheitsvorfälle innerhalb von 24-Stunden-Fristen zu melden. KRITIS-Betreiber setzen schon lange auf Systeme zur Angriffserkennung. Vor allem die schon von NIS1 betroffenen Unternehmen (55 %) setzen auf modernste Formen der Cyberabwehr – gegenüber Firmen, die durch NIS2 neu hinzukommen (44 %). Nachlassen sollten CISOs dennoch nicht, es gibt noch viel zu tun: Die von NIS1 betroffenen Unternehmen rangieren laut Studie, auch um zehn Prozent höher als die erweiterten NIS2-Sektoren, „unter anderem bei der Intrusion Detection & Prevention und automatisierten Schwachstellen-Scans“.
51 Prozent aller befragten Unternehmen und Organisationen verwenden SIEM-Lösungen (Security Information and Event Management), um Bedrohungen, Muster und Anomalien in großen Datenmengen frühzeitig zu identifizieren und Sicherheitsvorfälle zu verhindern.
„Diese Fähigkeit ist in Zeiten, in denen Cyberangriffe immer raffinierter werden, besonders wertvoll“, schreiben die Autoren der Studie. Dazu kommen Systemmonitoring, Logging und Reporting sowie Data Loss Prevention.
Neun von zehn Unternehmen wollen mehr in Sicherheit investieren
84 Prozent der Unternehmen und Organisationen werden ihr Security-Budget erhöhen, im Durchschnitt um zehn Prozent, größere Unternehmen sogar bis zu zwölf Prozent. Erst 29 Prozent haben Sicherheitsmaßnahmen voll umgesetzt, weitere 32 Prozent teilweise. Hauptgründe dafür sind der Fachkräftemangel, mangelndes Bewusstsein (Awareness) bei den eigenen Mitarbeitern, aber auch der Zeitplan, also die gebotene Eile.
Gleichwohl betrachten die Firmen die anstehende Umsetzung der NIS2-Richtlinie nicht nur als Kostenfaktor und Belastung, sondern auch als Chance, „die eigene Cyberresilienz zu stärken, Geschäftsprozesse zu optimieren und das Vertrauen von Kunden und Partnern zu gewinnen“.
Kontrastprogramm: Verzögerungen in der Politik
Wer aber die jüngsten Debatten in der Politik und die Analysen von Institutionen wie dem Bundesrechnungshof und Manuel Atug (Sprecher der AG KRITIS) verfolgt, der bekommt schnell den Eindruck, dass auf staatlicher Seite gerade Vertrauen verspielt wird. Sogar der Bundesrechnungshof kritisiert die geplanten Ausnahmen von der NIS2-Regelung für Behörden. Er fordere daher, so das Nachrichtenmagazin heise, den Gesetzesentwurf im parlamentarischen Verfahren nachzubessern. „Ausnahmen von den zentralen Vorgaben zur Informations- und Cybersicherheit sollten begrenzt werden und die Koordinatorin oder der Koordinator für Informationssicherheit sollte angemessene Aufgaben und Befugnisse erhalten, so zwei Kernforderungen. Auch seien die Bedarfe der Bundesbehörden an zusätzlichen Haushaltsmitteln kritisch zu hinterfragen.“
Trotz aller Streitpunkte winkt der Bundesrat Ende September eine Vorlage einfach durch, in „einer Minute und einer Sekunde“, wie Atug süffisant bemerkt. Wirkungslos ist das jedoch nicht, beispielsweise im Gesundheitswesen. Da könnten „künftig große Praxen, Berufsausübungsgemeinschaften und Medizinische Versorgungszentren Betreiber kritischer Anlagen werden“. Aber auch andere große ambulante Einrichtungen, umsatzstarke Praxen aus der Radiologie und Nuklearmedizin, Nephrologie oder Laboratoriumsmedizin könnten so als wichtige Einrichtungen relevant werden und unter die NIS2-Regeln fallen.
Verbrannte Erde, verlorene Zeit?
Es macht es nicht leichter, dass für Krankenhäuser auch noch besondere Übergangsfristen gelten. § 108 SGB V schreibt hier fünf Jahre vor, nun hat man eine entsprechend verlängerte Übergangsfrist auch für die wichtigen Einrichtungen gefordert. „Erste Nachweise kommen damit erst frühestens 2030“, zeigt sich Atug enttäuscht. Seine Kritik: „Sowohl die Bundesländer als auch das Gesundheitswesen sollen Cybersicherheit nur nach dem Minimalprinzip angehen, was der aktuellen Bedrohungslage als auch dem Lagebild Gesundheit absolut nicht gerecht wird.“ Die vielen Ausnahmen und das Verschweigen bekannter Defizite drohen hier, einen Flickenteppich von Ausnahmen zu schaffen, der niemandem helfe.
Warum Unternehmen jetzt investieren müssen
Die Studie von Plusnet zeigt klar: Das Bewusstsein in betroffenen Betrieben ist da, die Investitionsbereitschaft ebenso. Der Bundesrechnungshof und die AG KRITIS haben nachhaltig und laut bekundet, wie wichtig aktives Handeln jetzt ist – und ebenso laut ihrer Enttäuschung Ausdruck verliehen, dass gerade die Politik da nicht handelt, zumindest nicht angemessen. Unternehmen und Organisationen hingegen sind keineswegs die Hände gebunden: Was kommt, ist klar, auch hier im Greenbone Blog haben wir immer wieder darauf hingewiesen.
Spätestens nächstes Jahr werden viele Aspekte der IT-Security neu aufgerollt, und Schwachstellenmanagement wie Greenbones Enterprise Produkte spielen dabei eine wichtige Rolle.