Rutscht die Cloud ins Tal der Ernüchterung?

“The Future of the enterprise is private”: Das hat kein Geringerer als Broadcom-CEO Hock Tan in einem Blogpost verkündet. Gerade Broadcom hat bisher durch eine sehr offensive Preispolitik versucht, die vielen VMware-Kunden in die Cloud zu drängen. Jetzt will man damit offenbar aufhören. Das Virtualisieren on Premise – und damit teilweise auch die Rückkehr in die Private Cloud sind wieder “in”. Den Wandel bei Broadcom hat das Kundenfeedback ausgelöst, und das macht es besonders interessant.

Technologieanwender wollen die drei „C“ beherrschen:  Complexity, Costs, Control. Jedes Lösungsszenario muss sich dem stellen – insbesondere gilt dies auch für Cloud-Angebote. Ist die Abhängigkeit von einem proprietären Produktangebot sowieso schon deutlich größer als bei einem Open-Source-Produkt, so gilt das für ein Cloud-Angebot umso stärker.

Complexity

Vor allem wenn die entsprechenden Angebote nicht offenen Standards folgen, was in der Regel der Fall ist, ist die Portierbarkeit von Lösungen schwierig. Hyperscaler verstehen sich demzufolge zunehmend stärker als „Platform as a Service“-Anbieter, denn als Anbieter für „Infrastructure as a Service“. Wer den Verlockungen der technisch hochwertigen Komponenten erliegt, ist dem Preismodell des Anbieters ausgeliefert. Das spüren immer mehr Unternehmen und setzen daher auf eine größere Souveränität.

Costs

Cloud-Infrastrukturen werden zunehmend komplexer, und wer schon gesehen hat, wie die Kosten für seine Containerisierung und „Clusterisierung“ nach oben davonrennen, wünscht sich zunehmend auch eine einfachere Virtualisierung. In kritischen Anwendungsfällen wie bei Sicherheitslösungen ist nach wie vor auch Hardware gefragt.

Control

Das stärkste Argument ist jedoch vermutlich “Control”. Es vereint die Kosten und die Komplexität und fügt noch einen wichtigen Aspekt hinzu. Abhängigkeit und Kontrolle schließen sich aus. Jede Organisation, die Technologien nutzt, muss zumindest so viel Kontrolle behalten, wie sie Verantwortung über Sicherheit und Verfügbarkeit übernimmt. Wenn sie zudem Handlungsspielräume nutzen will, braucht sie Unabhängigkeit.

Die Herausforderung für die IT-Verantwortlichen ist zunehmend, die Balance zwischen der Nutzung selbst gefertigter Lösungen und vorgefertigter Dienste zu finden. Während es in den vergangenen Jahren einen klaren Trend zu letzteren gab, sehen wir heute erste Indikatoren, dass sich dieser Trend abschwächt. Vor allem scheint es keine Lösung zu sein, alles in Clouds zu bewegen.

Perspektiven

Wie es auch ohne Clouds gehen kann, zeigt überraschenderweise der stark wachsende Sektor der Künstlichen Intelligenz (KI). Immer öfter stellen sich Unternehmen und Organisationen die Frage, ob sie hier wirklich das große Sprachmodell brauchen und ob dessen Einsatz den damit verbundenen Datenabfluss rechtfertigt. Im Office einer Werbeagentur ist das vielleicht nicht kritisch, aber in sicherheitsrelevanten Branchen wird Datensouveränität mehr und mehr zum Thema.

Daher wächst beispielsweise im militärischen Bereich die Nachfrage nach mobilen KI-Lösungen, die mit deutlichen geringeren Ressourcen auskommen. Nicht überall ist KI auf Edge-Geräten die Lösung, aber oft kann es so sein. Auch private Clouds sind eine gute Alternative zu ChatGPT & Co. So wird On Premise sogar im Hype-Thema KI ein immer prominenteres Thema, da dort Datenhoheit und Transparenz eine besondere Rolle spielen. Die Entwicklung immer effizienterer Modelle trägt zusätzlich zum Abzug aus der Cloud bei. Neben den Aspekten Cost, Control und Complexity haben diese Modelle noch einen weiteren großen Vorteil: sie brauchen deutlich weniger Energie. Vielleicht wird so eine „Green KI“ zum nächsten Hype.